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Es ist Zeit für Wertschätzung

Am 14. April hatte unser Spitzenkandidat zur Kreistagswahl, Klaus-Dieter Brügmann, auf Einladung der Kreisarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände die Gelegenheit in der „Mädchenwohngruppe Wedel“ der AWO einen Nachmittag zu hospitieren. Einen Bericht von ihm, der sehr persönlich wie ein Tagebucheintrag verfasst ist, wurde in den Blättern des Beig-Verlages – also Pinneberger Tageblatt, Elmshorner Nachrichten usw. – am 25. April 2018 veröffentlicht. 

 

Meine Hospitation begann um 13 Uhr. Um pünktlich zu kommen habe ich sicherlich bei der Hinfahrt das eine oder andere Tempolimit überschritten. Prompt kam ich zu früh bei der Villa an, der man ihr Alter schon von außen deutlich ansieht und die die Mädchenwohngruppe Wedel der AWO beherbergt. 

Die Bezeichnung „Mädchenwohngruppe“ ist ein wenig irreführend. Derzeit ist die Jüngste bereits 16 Jahre alt. Um es vorweg zu sagen: ich habe mit keiner der Jugendlichen und jungen Frauen gesprochen, sprechen können. Und das ist auch richtig so. Immerhin sind sie in einer für sie schwierigen, zum Teil traumatischen Situation hier „gelandet“, die überwunden und nicht verschärft werden soll.

Bei „Gefahr für das Kindeswohl“, wie es im Amtsdeutsch heißt, schreitet das Jugendamt ein und verfügt gegebenenfalls die Unterbringung in einer Einrichtung wie der Mädchenwohngruppe. Das geschieht zum Beispiel in Fällen von häuslicher Gewalt, von Missbrauch, aber auch wenn die Eltern völlig überfordert sind. Ich finde es gut, dass Lehrer, Verwandte oder Nachbarn in den letzten Jahren zunehmend dem Jugendamt ihre Wahrnehmung von möglichen Fällen mitteilen. Denn je früher Betroffene Hilfe erhalten, desto größer ist die Chance für eine Wende.

Sieben Mädchen haben in der Villa ein eigenes Zimmer. Hinzu kommen noch vier Wohnungen in einem eigenen Haus. Sie werden von jungen Frauen bewohnt, die in absehbarer Zeit ein selbständiges Leben führen sollen.

In der Villa selbst gibt es noch eine Küche mit Essecke und ein gemeinsames Wohnzimmer.

Und dann ist da noch ein Zimmer. Das Büro. Als ich das kurz nach eins betrete bin ich irgendwie irritiert. Auf engstem Raum steht gleich links von der Tür ein Tisch für acht Personen, ein Stück weiter im Raum der Schreibtisch, dahinter das Aktenregal. Rechts in der Ecke findet sich das Bett für den nächtlichen Bereitschaftsdienst. Ich finde das unzumutbar.

Überhaupt müssen wir darüber reden, was es uns wert ist, wenn Jugendliche vor einer Hartz IV-Karriere bewahrt werden können – oder vor einem Abgleiten in Kriminalität oder Drogen.

Es kann doch nicht richtig sein, wenn beispielsweise für unvorhersehbare Ausgaben, wie etwa Fensterbruch keine zusätzlichen Gelder zu bekommen sind. Es kann doch nicht richtig sein, dass die Mädchen nicht mal zu Weihnachten gemeinsam essen gehen und auch noch ein Theater besuchen können. Gerade mal 30 Euro sind dafür vorgesehen. Also ist nur eines möglich, entweder oder.

Unhaltbar finde ich auch, dass die Betreuerinnen und Betreuer schlechter bezahlt werden als Erzieherinnen und Erzieher in Kitas. Das Argument es fehle eine vergleichbare Ausbildung lasse ich hier nicht gelten. Zum einen ist für die Betreuerinnen und Betreuer in der Mädchenwohngruppe die psychische Belastung deutlich höher, weil sie Anteil nehmen an dem Schicksal der Mädchen. Und zum anderen sind die Arbeitsbedingungen schlechter. So gibt es beispielsweise bei Krankheit keinen Personalersatz. Krankheitstage sind einfach nicht vorgesehen.

Ich jedenfalls bin tief beeindruckt von dem Projekt und dem persönlichen Engagement der Betreuerinnen und Betreuer – das gilt im Übrigen auch für die Hauswirtschafterin. Es wird Zeit, dass wir ihnen die Wertschätzung entgegenbringen, die sie verdient haben.

Zur Illustration wird hier der Flyer zur Wahlveranstaltung der Kreisarbeitsgemeinschaft genutzt