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Wir ziehen keinen Schlussstrich!

Nach mehr als 430 Verhandlungstagen wurde der Urteilsspruch im NSU-Prozess verlesen. Neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin fielen den Mördern zum Opfer. Wir gedenken Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Darüber hinaus fühlen wir mit den unzähligen an Körper, Geist und Seele verletzten Menschen, die durch die Taten der NSU in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Es entstanden Prozesskosten im zweistelligen Millionenbereich, verursacht durch den Hass und die Mordlust jener Täter, deren Namen an dieser Stelle nicht genannt werden – denn sie haben es nicht verdient. Was Erwähnung verdient, sind die Fragen, die offen bleiben. Fragen nach Motiven, die in ihrer Abgründigkeit nicht mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbar sind. Fragen nach der Rolle und den Handlungen von Mitarbeitern involvierter Behörden, während und nach der Mordserie, allen voran dem Verfassungsschutz. Wir fragen weiter und ziehen keinen Schlussstrich!

Eine Frage hingegen bleibt nicht offen – jene Frage nach der Menschlichkeit. Die Menschlichkeit ist, was uns von Tieren unterscheidet und uns zu Menschen macht. Wir sind empfindsame Wesen, die verstehen, die abwägen, die hinterfragen und die verzeihen können. Doch die Menschlichkeit macht uns auch deutlich, dass man anderen Menschen kein derartig unverzeihbares Leid zufügt, wie wir es hier erlebt haben: dass es ein No-Go ist, eine unmenschliche Abscheulichkeit, ein Akt der puren Grausamkeit.

Die Menschlichkeit macht uns deutlich, dass ein Mensch mit einer Gefühlsebene, der zwischen Härte und Milde zu unterscheiden weiß, nicht mehr guten Mutes und klaren Blickes nach solch abscheulichen Taten in den Spiegel schauen kann. Wenn ein Mensch nicht über die Fähigkeit dieser Unterscheidung, nicht über Empathie gegenüber dem Allgemeinwohl und der Unversehrtheit anderer verfügt und darüber hinaus Taten wie diese begeht, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder drückt sich dieser jemand feige aus der Verantwortung und zieht den eigenen Tod der gerechten Strafe vor – oder die Sühne besteht aus einem Urteilsspruch und einer Gefängnisstrafe, die den Taten angemessen ist, auch wenn diese dadurch nicht ungeschehen gemacht werden können.

Ein Mahnmal muss bleiben, denn die Schrecklichkeit der Taten darf nicht verblassen. Wir alle haben das Verlangen in uns, in unserem Alltag lieber das Gute, das Angenehme und Unbelastende zu sehen. Doch bei Taten wie diesen muss die Erinnerung an jedem Tag wach und geschärft bleiben. Als Abschreckung, damit so etwas nie wieder passiert. Wir ziehen keinen Schlussstrich!

Ein Kommentar von Frank Ramson zur Kundgebung des „Bündnis gegen Rechts“ am 11.07.18 in Elmshorn